Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weiteres

Login für Redakteure

Anton Wilhelm Amo

an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Amo-Signatur

Amo-Signatur

Amo-Signatur

Anton Wilhelm Amo gilt als erster und über sehr lange Zeit einziger afrodeutscher Akademiker. Er studierte in Halle und in Wittenberg, wo er 1734 auch promoviert wurde. Seine Hallenser Disputation widmete sich der Rechtsstellung Schwarzer Menschen in Europa (De iure Maurorum in Europa), die Wittenberger Dissertation dem Leib-Seele-Thema (De humanae mentis apatheia). Amo wirkte dort, sowie ab 1736 in Halle und im Jahre 1739 in Jena als Dozent der Philosophie.

Im Jahre 2019 gründete die Martin-Luther-Universität eine Arbeitsgruppe, die inzwischen als Rektoratskommission „Anton Wilhelm Amo" aktiv ist und sich dem Gedenken an Anton Wilhelm Amo widmet.

Zum Leben Anton Wilhelm Amos

Nach Auskunft eines Biographen und Amo-Interpreten, Ottmar Ette (Anton Wilhelm Amo. Philosophieren ohne festen Wohnsitz, Berlin 2. Aufl. 2020), ist er um die Jahrhundertwende 1700 im heutigen Ghana geboren und als Kind versklavt worden. Über Amsterdam kam er vermutlich als „menschliches Geschenk" der Westindischen Kompanie an den Hof des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel, wo er 1707 nach dem Herzog und seinem Sohn auf den Namen Anton Wilhelm getauft wurde. Er selbst nannte sich später im Akademischen Kontext folgendermaßen:

Auszug aus dem Nostrifikationsantrag Amos an die Philosophische Fakultät Jena. 
In: W. Siegmund-Schultze u.a. (Hg.), ANTONIUS GVILIEMUS AMO AFER AUS AXIM IN GHANA, Halle (Saale), Band Faksimiles, S. 276.

Auszug aus dem Nostrifikationsantrag Amos an die Philosophische Fakultät Jena. In: W. Siegmund-Schultze u.a. (Hg.), ANTONIUS GVILIEMUS AMO AFER AUS AXIM IN GHANA, Halle (Saale), Band Faksimiles, S. 276.

Auszug aus dem Nostrifikationsantrag Amos an die Philosophische Fakultät Jena.
In: W. Siegmund-Schultze u.a. (Hg.), ANTONIUS GVILIEMUS AMO AFER AUS AXIM IN GHANA, Halle (Saale), Band Faksimiles, S. 276.

Nach gründlicher Ausbildung ließ der Braunschweiger Hof „seinen" Anton Wilhelm ab 1727 an der Universität Halle an der Philosophischen und an der Juristischen Fakultät studieren, wo er 1729 eine erste Disputation zum Thema „De iure Maurorum in Europa" absolvierte. Ab 1730 studierte und lehrte er (als Magister legens)  an der Wittenberger Philosophischen Fakultät, wo er 1734 zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Seine Dissertationsschrift ist dem Leib-Seele-Thema gewidmet (De humanae mentis apatheia). Am 21. Juni 1736 wurde Amo an der Philosophischen Fakultät der Universität Halle als Dozent zugelassen. Drei Jahre später (1739) lehrte er ebenfalls in Jena. Über die folgenden Jahre ist wenig bekannt. Rassistische Anfeindungen in einem Spottgedicht warfen gegen 1747 Schatten auf Amos Situation. In dieser Zeit soll er Deutschland Richtung Westafrika verlassen haben. Er lebte mindestens bis 1753 in Axim, später in Shama, wo auch sein Grabstein zu finden ist, der das Sterbejahr 1784 vermerkt.

Die Hallenser Universität und Anton Wilhelm Amo

‚Wiederentdeckung‘ Amos im Jahre 1916

Der damalige Hallenser Bibliothekar Wolfram Suchier (1883-1964) kann als derjenige gelten, der die Erinnerung an Amo im Jahre 1916 mit einem Artikel in der Akademischen Rundschau in die Öffentlichkeit (zurück)brachte. Er wies auf Amo als „Student und als Privatdozent in Halle, Wittenberg und Jena 1727/1740" hin und stellte ihn mit dem rassizifierenden Begriff „Mohr" vor. Amo wurde als eine besondere Person mit herausragender Geschichte präsentiert und damit dem Vergessen oder Verschweigen entrissen.

Amos Leben und Wirken als Gegenstand der Forschung in den 1960er Jahren

Im Jahre 1968 legte der damalige Hallenser Universitätsdozent für die Archäologie Vorderasiens, Burchard Brentjes (1929-2012), eine umfassende Studien- und Quellensammlung zu Anton Wilhelm Amo vor. Amo wird als „Antonius Gvilielmus Amo aus Axim in Ghana" und als „Student, Doktor der Philosophie, Magister legens an den Universitäten Halle, Wittenberg, Jena" vorgestellt sowie als erster „Afrikaner an einer europäischen Hochschule". Wenige Jahre später erscheint Amo als „Der schwarze Philosoph in Halle", wie der Untertitel von Brentjes' 1976 publizierter kleiner Monographie es ausweist.

1975: Anbringen einer Bronzetafel zur Erinnerung an Amo am Universitätsring

Im Jahr 1975 wurde am Universitätsring in Halle eine Bronzetafel in unmittelbarer Nähe zur Plastik „Freies Afrika" zur Erinnerung an Anton Wilhelm Amo angebracht. „Dem Andenken Anton Wilhelm Amos" gewidmet, weist die Tafel ihn als „ersten afrikanischen Studenten und Dozenten der Philosophie der Universitäten Halle, Wittenberg und Jena 1727-1747" aus. Die Nähe der Bronzeplatte zu der Bronzeplastik „Freies Afrika" (1965) von Gerhard Geyer (1907-1989) schafft bis heute eine problematische und missverständliche Verbindung zwischen dem re-traditionalisierend dargestellten Schwarzen Figurenpaar und dem afrodeutschen Akademiker Amo (zur Interpretation und weiteren Kontextualisierung der Plastik s.u.).

Etablierung der Amo-Lectures und des Amo-Preises seit den 1990er Jahren

Anton Wilhelm Amo-Preis

Seit 1994 verleiht die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg jährlich den Anton Wilhelm Amo Preis für herausragende Studienabschlussarbeiten. Die Wahl Amos als Namensgeber dieses Preises soll betonen, dass die Martin-Luther-Universität offen steht für alle Menschen, unabhängig von Religion und Kultur, Hautfarbe und Herkunft.

Liste der Amo-Preisträger*innen
Anton-Wilhelm-Amo-Preis ab 1994_PreisträgerInnen_Stand 2024.pdf (140,6 KB)  vom 29.07.2024

Liste der Amo-Lectures

In der Schriftenreihe „Amo Lectures" des Forschungsschwerpunkts „Gesellschaft und Kultur in Bewegung" werden seit 2013 an der Martin Luther Universität gehaltene Gastvorlesungen bedeutender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler publiziert, die unter diesem Titel von den beiden Forschungsschwerpunkten „Gesellschaft und Kultur in Bewegung" und „Aufklärung, Religion, Wissen" gemeinsam veranstaltet werden und Anton Wilhelm Amo gewidmet sind.

Bisherige Lectures
Liste der Amo-Lectures seit 2012_.pdf (161,6 KB)  vom 23.08.2024

Internationale Amo-Konferenz Halle 2018

Ein Kunstwerk als Denkmal? Zum derzeitigen Erinnerungsort an Anton Wilhelm Amo in Halle (Saale)

„Freies Afrika" (Bronzeplastik 1965) von Gerhard Geyer (1907-1989)
Standort: Halle (Saale), Universitätsring
(Foto: Uni Halle/Markus Scholz)

„Freies Afrika" (Bronzeplastik 1965) von Gerhard Geyer (1907-1989) Standort: Halle (Saale), Universitätsring (Foto: Uni Halle/Markus Scholz)

„Freies Afrika" (Bronzeplastik 1965) von Gerhard Geyer (1907-1989)
Standort: Halle (Saale), Universitätsring
(Foto: Uni Halle/Markus Scholz)

Entstehung und Aufstellung der Figurengruppe „Freies Afrika“

Das Kunstwerk „Freies Afrika" wurde vom halleschen Bildhauer und Grafiker Gerhard Geyer (1907-1989) in staatlichem Auftrag zur Thematisierung des antikolonialen Weges Ghanas geschaffen. Als Inspiration diente Geyer eine Studienreise in die neu unabhängig gewordenen und damals sozialistisch orientierten Staaten Guinea und Ghana, die er im Jahr 1961 unternommen hatte.

Die Plastik sollte ursprünglich nach Ghana gesendet werden, dies scheiterte jedoch aus verschiedenen Gründen. Es wurde schließlich die Entscheidung getroffen die Figuren in Halle aufzustellen. Im Jahr 1965 wurde die Plastik feierlich enthüllt. Bereits bei der Enthüllung wurde ein – allerdings noch sehr vager – Bezug zu Anton Wilhelm Amo hergestellt, der vorher nicht bestanden hatte. Auch 1975, als die Bronzetafel zur Erinnerung an Amo am Universitätsring angebracht wurde, kam ein Bezug zur Figurengruppe von Gerhard Geyer und zum Thema „Freies Afrika" zur Sprache. Diese Verbindung wird auch in Burchhardt Brentjes' Amo-Biographie von 1976 bildhaft manifestiert. (vgl. dort Abb. 22) Die Plastik wurde somit letztlich in einen Interpretationsrahmen gebracht, der eine Verbindung zweier ursprünglich unabhängiger Themen schafft. An dieser bis heute sichtbaren Verbindung setzen gegenwärtige kritische Stimmen an, die sich für die Erinnerung an Anton Wilhelm Amo einsetzen.

Beschreibung des Kunstwerks

Die Plastik stellt ein Figurenpaar dar: Eine Schwarze Frau mit  Kopfwickel und einem festlichen Kleid und seitlich hinter ihr stehend ein  Schwarzer Mann mit langem Rock und freiem Oberkörper. Ihre Hände zu Fäusten  geballt, stehen sie aufrecht, haben den Kopf erhoben und blicken gen  Horizont.

Bei kritischer Betrachtung dieses Motivs wird eine tiefe symbolische Ambivalenz des Kunstwerkes deutlich: Dargestellt im Stil des sozialistischen Realismus lassen sich die Kleidung und die Haltung der Personen als bildhafter Versuch einer Re-traditionalisierung gegen koloniale europäische Dominanz auffassen. Es geht um antikoloniale politische Befreiung und um Sozialismus als politische Option sowie künstlerische Ausdrucksform. Weiterhin lässt sich die Plastik als eine Darstellung der symbolischen Gleichstellung von Mann und Frau im Sozialismus interpretieren.

Gleichzeitig jedoch lässt sich die Darstellungsweise der beiden Schwarzen Menschen - der Mann mit freiem Oberkörper, beide Personen mit nackten Füßen und in „traditionell" anmutender Bekleidung - ebenso als eine Reproduktion und Stabilisierung rassistischer Vorstellungen von vermeintlich „ursprünglichen," monolithischen afrikanischen Kulturen und Bevölkerungen begreifen. Diese Zuordnung ist missverständlich und problematisch und dem Gedenkort an Anton Wilhelm Amo als Mitglied der Universität nicht angemessen.

Es existieren zwar keine überlieferten bildlichen Darstellungen von Amo, jedoch ist davon auszugehen, dass er als Universitätsgelehrter gekleidet war. Die Bedeutung der Schwarzen Frau schließlich bleibt angesichts der gegenwärtigen Verbindung von Plastik und Amo gänzlich ungeklärt, wenn Betrachtende nicht fälschlicherweise davon ausgehen sollten, dass es sich um Amos Partnerin handelte. Dies lässt die Frau zu einem reinen Beiwerk neben einem vermeintlichen Anton Wilhelm Amo werden und reproduziert so sexistische Strukturen dominanter Erinnerungskultur, innerhalb derer Frauen nach wie vor eine höchstens marginale Rolle zugeschrieben wird. Die Verbindung der Plastik mit Anton Wilhelm Amo ist also in verschiedener Hinsicht als problematisch zu betrachten.

Anliegen der Rektoratskommission

Der Rektoratskommission geht es darum, ein angemessenes Gedenken an Anton Wilhelm Amo (um 1703–nach 1753) zu ermöglichen und Amo als ersten afrodeutschen Universitätsangehörigen zu würdigen.

Anton Wilhelm Amo widmete sich u.a. dem Recht Schwarzer Menschen in Europa. Seine Kritik galt rational nicht zu begründenden Gesetzen sowie Rechtsauslegungen, die sich allein am Wohl der Gesetzgeber ausrichten. Mit seiner Mahnung zur Humanität in der Jurisprudenz, die im Zweifelsfall immer Vorrang vor dem strengen Recht haben soll, hat er sich als ein früher Verfechter von Menschenrechten erwiesen. Die Erinnerung an seine Person und an sein Werk ist Teil der Universitätsgeschichte und damit der Gegenwart.

Die Würdigung Amos erinnert daran, dass Universitäten allen Menschen offen stehen müssen, unabhängig von ethnischen, religiösen oder anderen Zugehörigkeiten. Sie geschieht jenseits von Stereotypisierungen im Namen von Diskriminierungsfreiheit und mit Wachsamkeit für ungerechte Machtdynamiken.

Die Universität Halle agiert im öffentlichen Raum und mit verschiedenen Gruppen und Institutionen. Sie versucht durch die aktive, lebendige und offene Erinnerung an Amo mit Lectures, Preisverleihungen, Namensgebungen und einem angemessenen öffentlichen Gedenkort den Blick zu weiten und zugleich zu schärfen und damit auch heutige Spannungen zwischen gesellschaftlicher Teilhabe und Diskriminierung sichtbar zu machen.

Die derzeitige Zusammenordnung der Gedenktafel mit der Bronzeplastik „Freies Afrika" ist unpassend und prekär. Sie wird im Sommersemester 2021 durch eine Edelstahltafel ergänzt, die folgendermaßen auf eine Neuformierung des Gedenkens hinweist:

„Freies Afrika" (1965)

von Gerhard Geyer (1907-1989)

Die Bronzeplastik würdigt den antikolonialen Weg Ghanas. Seit 1975 verweist zusätzlich eine Gedenktafel auf den in Ghana geborenen, als Versklavter nach Deutschland verschleppten und zwischen 1736 und 1739 an der Universität Halle als Privatdozent tätigen Philosophen Anton Wilhelm Amo.

Diese Verbindung der Plastik mit der Person Amo ist jedoch in heutiger Hinsicht problematisch. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Stadt Halle (Saale) und das Anton Wilhelm Amo Bündnis Halle (Saale) arbeiten daher seit Oktober 2019 an einem neuen Erinnerungskonzept an Amo.

Der Stadtrat der Stadt Halle (Saale) hatte im Dezember 2023 die Umbenennung von einem Teil des Unirings in Halle (Saale) nach Anton Wilhelm Amo beschlossen, die im Frühjahr 2024 umgesetzt wurde.

Im Juli 2024 hat der Akademische Senats der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg der Benennung eines Hörsaals am Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Campus (Steintor-Campus) nach Anton Wilhelm Amo beschlossen.

Rekontextualisierung der Amo Gedenktafel und der Bronzeplastik "Freies Afrika"

Die nachfolgenden Videos befassen sich mit Anton Wilhelm Amo, der Bronzeplastik "Freies Afrika" von Gerhard Geyer und der Bedeutung beider im Lichte der Dekolonialisierungsdebatte in Deutschland.

In einigen Filmen werden Sie einen leeren Bilderrahmen sehen. Dieser symbolisiert, dass wir kein Bild von Amo im direkten physischen Sinne haben, aber vielleicht auch unser Bild von der Person Amo im Kontext ihrer Zeit und heutigen Bedeutung noch "weisse Flecken" hat.

Amos Grab in Shama (Ghana)

Grab von Amo

Grab von Amo

Grab von Amo

Amos Grab in Shama (Ghana)
Rettung_des_Grabes.pdf (741,4 KB)  vom 30.07.2024

Literatur

  • Burchard Brentjes, Anton Wilhelm Amo. Der schwarze Philosoph in Halle. Leipzig: Koehler & Amelang 1976
  • Ottmar Ette, Anton Wilhelm Amo. Philosophieren ohne festen Wohnsitz, Berlin: Kadmos, 2. Aufl. 2020
  • Jacob Emanuel Mabe, Anton Wilhelm Amo interkulturell gelesen, verb. u. akt. Aufl. 2020
  • Walther Siegmund-Schultze u.a. (Hg.), ANTONIUS GVILIEMUS AMO AFER AUS AXIM IN GHANA – Student, Doktor der Philosophie, Magister legens an den Universitäten Halle - Wittenberg - Jena 1727 – 1747, Halle (Saale): Martin Luther Universität Halle-Wittenberg 1965, Band Faksimiles.

Zum Seitenanfang